Oder: Die Geschichte der Geschichte

TearTalesTrust hat bereits mehrere Ausdrucksformen und Trägermedien hinter sich, ehe die gedruckte Version erschienen ist. Dabei ist die Geschichte von TearTalesTrust beinahe so episch wie die Erzählung selbst. Text, Bild, Musik, Wort und die kreativen Möglichkeiten des Computers haben auf unterschiedliche Weise die Formen der verschiedenen Stationen von TearTalesTrust geprägt.

1999
Irgendwann zu Beginn des Jahres 1999 drückt Stefan, der Keyboarder ihrer gemeinsamen Band „Mind Your Head“ Björn eine CD mit elektronischen Musik-Resten in die Hand, die sich als beinahe vollständiges Konzeptalbum entpuppt: "Hast Du Lust, was dazu zu singen?" Eigentlich schon, aber zunächst fällt ihm dazu eine Geschichte ein, die er in 2 Tagen niederschreibt: TearTalesTrust. In der ersten Fassung noch mit dem 3-fachen Umfang. Ist halt ausschließlich Text, da muss jede Stimmung und jedes Detail in Worte gefasst werden. Die geringe Erfahrung im Schreiben lässt sich nicht verleugnen. Dennoch funktioniert die Geschichte in der reinen Textfassung schon ziemlich gut.

2000
Auf jeden Fall so gucomic-alte-fassung-thumbt, dass Harald beim einem Treffen gegen Ende des Jahres statt der angefragten Illustrationen gleich mal die ersten 10 Seiten einer 4-farbigen Comic-Adaption präsentiert. Der geplante 48-seitige Comic wird schon im folgenden Jahr fertiggestellt. Die Begeisterung darüber ist riesig. Die Geschichte funktioniert auch als Comic gut, die fehlende gemeinsame Konzeption führt allerdings zu Redundanzen in der Handlung. In Verbindung mit der düsteren Ausrichtung der Geschichte führt das zu unserer gemeinsamen Einschätzung, dass eine Veröffentlichung als gedruckter Comic im Verlag nicht realistisch ist. Selber drucken ist zu teuer, und so lassen wir das schöne Werk erst einmal etwas ratlos liegen.
Ende 2000, im Rahmen einer Ausstellung von Haralds Arbeiten im Siegener Lyz beschließen wir, den Besuchern der Vernissage die ersten Kapitel von TearTalesTrust als Diashow mit Lesung und eingespieltem Soundtrack zu präsentieren. In der Nacht vor der Aufführung nehmen wir sogar noch eine Gesangsspur zur Musik auf. Das kommt alles trotz mäßiger Akustik sehr gut an, bleibt aber zunächst eine einmalige Aktion.

2001
onlinecomic-screenshot-thumbDafür entsteht daraus die ganz neue Idee zur Veröffentlichung von TearTalesTrust im Internet. Freund und Computergrafiker Michael, der auch die Aufführung im Lyz gesehen hat, schlägt vor, den Comic als Flash-Film umzusetzen. Er macht sich sofort ans Werk und innerhalb eines halben Jahres entsteht die erste Fassung des Webcomics TearTalesTrust. Mit Hilfe von Ein- und Überblendungen kann die ganze Geschichte nun mit einer komfortablen Steuerung auf dem Bildschirm gelesen werden. Das funktioniert sehr gut und soll unbedingt das Licht der Welt erblicken.
Zuvor muss Björn jedoch die erste gründliche Überarbeitung des Textes vornehmen. Bild und Soundtrack transportieren so viel Stimmung, dass der Text nun deutlich nüchterner ausfallen muss, um nicht übertrieben zu wirken. Das macht ganz schön viel Arbeit und, trotz digitaler Werkzeuge, erfordert auch das Lettering einige Geduld. Parallel arbeiten wir an einer englischen Übersetzung, um im weltweiten Internet möglichst viele Menschen erreichen zu können.
Kaum ist das erledigt, verkündet Keyboarder Stefan seinen Rückzug aus dem Projekt. Da ein Soundtrack inzwischen als unverzichtbarer Bestandteil des Projektes angesehen wird, fragen wir bei Leif an, der mit Björn zusammen bei der Kölner Band „Marvin“ spielt. Zu unseren großen Freude sagt Leif zu und entscheidet sich für eine handgespielte und sehr persönliche Komposition, die einen deutlichen Kontrapunkt zum alten Soundtrack darstellt.
comic-award-thumbNun ist alles beisammen und wir schreiben immer noch das Jahr 2001. Es wird allmählich Zeit. Wir setzen uns als Deadline den Oktober 2001. Gleichzeitig der Einsendeschluss für den „Avatar-Award“, ein Online-Comic-Preis, der im Rahmen der Frankfurter Buchmesse verliehen wird. Tatsächlich zählen wir zu den Gewinnern und dürfen nach Frankfurt reisen, um ein kleines Preisgeld in Empfang zu nehmen und unser Projekt vorzustellen. Trotz einer sehr improvisierten Veranstaltung freuen wir uns über den Preis und stellen die Seite endlich online. Wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen und Rückmeldungen und freuen uns darauf, uns mit anderen über unser Projekt und unsere Erfahrungen auszutauschen.

2002 bis 2012
Was passierte dann? Ein bisschen Presse (Kölner Stadtanzeiger, TAZ und einige Internet-Magazine), ein paar begeisterte Leser und, tja, ansonsten nicht viel. Die große Resonanz bleibt aus, ein bisschen Ratlosigkeit zurück. Vielleicht waren wir in mehrfacher Hinsicht zu unerfahren. Neben stilistischer Mängel, fehlender Antworten innerhalb der Geschichte und kaum vorhandener Öffentlichkeitsarbeit hatten wir vor allem die Kraft gängiger Internet-Konventionen unterschätzt. Die Lesezeit für TearTalesTrust in der Web-Fassung beträgt ca. eine Stunde. Soviel Zeit aber investiert zuzeiten von „Moorhuhn“ und anderen in erster Linie der Kurzweil verschriebenen Web-Angeboten kaum jemand. Schade! Vergleichbare Webcomics gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht.
Heute wäre die Resonanz vielleicht größer. Im Zeitalter von Tablet und Co. hätte das erste TearTalesTrust auf jeden Fall mehr Menschen erreichen können.
Wer es ausprobieren möchte – die Webversion ist nach wie vor im Netz erreichbar:

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Wir haben uns noch an einer weiteren Darstellungsform versucht. Im Rahmen der „Bonner Mittwochslesung“ haben wir im Juni 2006 TearTalesTrust vor einem aufmerksamen Publikum mit zwei verteilten Sprechern, Beamer und Soundtrack vorgetragen. Mit professionellen Sprechern hätten wir die erfolgreiche Veranstaltung vielleicht sogar wiederholt. So bleibt es bei dem einmaligen Versuch der multimedialen Lesung.
TearTalesTrust steht weiter im Netz, das Gästebuch wird zugespamt (und daraufhin geschlossen), hin und wieder erreichen uns sehr positive Rückmeldungen. Ansonsten verschwindet das Projekt allmählich aus unserem Sichtfeld. Neue Musikprojekte, Studium, Arbeit, Familie, Trallala...
Hin und wieder fragt Harald bei Björn nach neuen Ideen für Comics. Die sind sogar vorhanden, Priorität und Zeit zum Schreiben jedoch leider nicht.

2013
Anfang 2013 reicht es Harald dann. Da nichts Neues kommt, überrascht er Björn mit 10 fertigen Seiten einer vollständig neu gezeichneten Fassung von TearTalesTrust. Björn, der die Geschichte eigentlich gar nicht mehr anfassen wollte, ist vom Stil dieser schwarz-weiß gehaltenen Version sofort begeistert. Vom Webcomic zum gedruckten Album - das fasziniert ihn zusätzlich, und so hat er nichts dagegen einzuwenden, dass Harald die gesamte Geschichte neu zeichnet.

2014
Seinen Vorsatz, selber keine Zeit mehr in die Geschichte zu investieren, kann Björn nicht halten. So schöne neue Bilder und so ein angestaubter Text? Das geht nicht. Nach etwas mühseligem Start gelingt es Björn, sich Anfang 2014 ganz neu in die Geschichte hineinzudenken. Er überarbeitet den vollständigen Text und ist, eigentlich zum ersten Mal, mit TearTalesTrust wirklich zufrieden.
Wir sind uns einig, TearTalesTrust hat als gedrucktes Album seine Form gefunden.
Wäre der Begriff Graphic-Novel nicht bereits vergeben, für TearTalesTrust müsste er neu erfunden werden. Würde vermutlich sogar besser passen, als auf die zahlreichen (oft wunderbaren) Comics, die unter diesem Label verlegt werden, denn so richtig Comic ist TearTalesTrust eigentlich nicht, sondern eher eine, hm...
Jedenfalls haben wir es so veröffentlicht, wie wir wollten. Als 48-seitiges s/w-Album auf nicht gestrichenem Papier und, mit Hilfe des Verlagshauses „Monsenstein und Vannerdat“, in unserer eigenen Edition, der „Edition Zyklop“. Voilà!
Mal schauen, was als nächstes kommt.
Kurze Berichte und Abbildungen zur Geschichte des TearTalesTrust veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen auch auf unserer Facebook-Seite:

https://www.facebook.com/pages/Teartales/707223636029930

Nebenbei bemerkt: Facebook-Seite und Website wurden übrigens erstellt von, na wem wohl: Michael (s. 2001).
Auch darüber freuen wir uns sehr, vielen Dank dafür!